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Martin Sigmund, Valentina Schuster

nach dem Roman von Ágota Kristóf | In einer Fassung von Sophia Aurich
Regie Sophia Aurich | Bühne & Kostüme Martha Pinsker | Musik Friederike Bernhardt

Dramaturgie Tom Gipfel  | Video Aaron Geiger, Uwe Hinkel | Licht Daniel Märkle, Sina Speh|
Regieassistenz Kiko Selma | Inspizienz Ralph Hönle

mit Insa Jebens, Lucas Riedle, Sabine Weithöner, Emma Schoepe, Andreas Guglielmetti, Jonas Hellenkemper

 

Premiere am 9. Februar 2024 am Landestheater Tübingen

„Wir beschließen, unseren Körper abzuhärten, um den Schmerz ertragen zu können… Nach einiger Zeit spüren wir tatsächlich nichts mehr. Es ist jemand anderes, der Schmerzen hat, es ist jemand anderes, der leidet. Wir weinen nicht mehr."

Der Krieg zwingt eine Mutter dazu ihre Söhne aufs Land zu bringen – in die Obhut der Großmutter. Doch der Gewalt entgehen die Zwillinge dort nicht. Entwurzelt müssen sie sich in einer verrohten Gesellschaft zurechtfinden. Nur eins erscheint gewiss: Die Erkenntnis abstumpfen zu müssen. Um sich psychisch und physisch vor der Außenwelt abzuhärten entwickelt das Zwillingspaar perfide Rituale. Tatsachen werden möglichst präzise erfasst und gleichgütig hingenommen, Gefühle planvoll eliminiert. Sie würden einen nur angreifbar machen. So geraten die Kinder in einen Rausch aus distanzierter Gewalt, entwickeln aber auch ihre eigenen Moralvorstellungen, helfen, wo die Not noch größer ist, rächen Ungerechtigkeit und leisten Sterbehilfe. Lässt es sich in einer vermeintlich emotionslosen Welt nur ohne Emotionen überleben? In einer verstörend nüchternen Sprache fragt „Das Große Heft“ nach der Möglichkeit sich in Kriegszeiten seine Menschlichkeit zu bewahren.

Pressestimmen

"So erlebt man Charaktere, die sich in eine Trutzburg der Gefühlskälte zurückgezogen haben – und unter diesem Panzer die Sehnsucht nach Wärme ahnen lassen. Sie setzen das auf der Bühne eindringlich um: Sabine Weithöner als schroffe Großmutter, die ihre Enkel nur »Hundesöhne« nennt. Emma Schoepe als Mutter, als Bettlerin und lüsterne Pfarrersmagd. Andreas Guglielmetti als kriegsmüder Offizier, der sich in masochistische Fantasien flüchtet, als korrupter Pfarrer, als verfolgter Schuster und verzweifelter Vater. Jonas Hellenkemper als lebenshungriger Adjutant, sadistischer Kommissar und erschöpfter Deserteur.

Sie alle spielen das sehr körperlich. Allen voran Insa Jebens und Lucas Riedle als Zwillinge, die in ihrer ungerührten Klarsichtigkeit zeitweise fast monströs wirken. Und andererseits als letzte Instanz von Gerechtigkeit in einer korrupten Welt. Alles scheint an ihnen abzuprallen. Und doch schleppen auch sie die Erde hin und her, unter denen sie ihre Träume begraben haben.

Die Inszenierung von Sophia Aurich packt das in einen Reigen dunkler, eindrücklicher Bilder. Getragen werden sie von elektronischen Klängen, mal ätherisch schwebend, mal poppig pulsierend (Musik: Friederike Bernhardt). Ein Bilderreigen, der das Dunkle, Beklemmende, Grausame dieser Welt transportiert. Aber auch Momente lakonischer Komik. Und solche, in denen die Möglichkeit von Menschlichkeit durchschimmert. Ein beklemmender, bildstarker, dabei durchaus kurzweiliger Theaterabend."
GEA: "Kinder des Krieges"

"Es geht um die große Frage, ob die Menschen in Kriegszeiten ihre Menschlichkeit bewahren können. Und Regisseurin Sophia Aurich zeichnet das düstere Bild, dass eine Mutter, ihre zwei Söhne und die Großmutter auch mit purem Abstumpfen der Spirale der Gewalt nicht entfliehen können. Untermalt mit Videoeinspielungen und Live-Videos entsteht ein Märchen voller Trost- und Hoffnungslosigkeit. {...} 

Der Regisseurin gelingt eine bedrückende Inszenierung, die in verstörenden Szenen mündet, wenn sich die Zwillingssöhne in ihren Ritualen abhärten und sich jede Regung austreiben, um dem Schrecken zu widerstehen. {...} Die Verzweiflung der Menschen ist in ihrer Körperlichkeit ausgedrückt. Das provoziert starke Bilder, die eindrucksvoll und vielsagend sind – und verstörend zugleich. 
 

Die kongeniale Musik vertieft das authentische Erlebnis auf der Bühne und lässt uns betroffen zurück.

Die Verrohrung ist plakativ und authentisch: „Wir nehmen nicht gerne Geschenke an, weil wir nicht gerne Danke sagen.“ Die Gewalt ist allgegenwärtig: „Du sollst nicht töten – und alle Welt tötet.“ Und sie ist dramatisiert durch die kongeniale Musik, für die Friederike Bernhardt verantwortlich zeichnet. Psychisch, physisch und sexuell missbraucht, gedemütigt und gequält entmenschlichen die Zwillingskinder, zeigen keinerlei Regungen in ihren Gesichtern. Das ist unheimlich, dämonisch und provoziert extreme Szenen und Bilder voller Brutalität. Kristófs Roman ist ein Zeugnis gegen den Krieg, ein nüchterner Blick auf die totalitäre Mentalität einer vom Krieg zerrütteten Gesellschaft – akribisch beobachtet. Die Tübinger Inszenierung greift dies beeindruckend klar auf und leistet damit einen wertvollen Beitrag und Anstoß zum so notwendigen Nach- und Umdenken in diesen, unseren so gewaltvollen Zeiten."
Schwarzwälder Bote: "Wo die Seelen abstumpfen und total verrohen"

"{...} Es ist eindrücklich inszeniert, im Sinne der Autorin unerbittlich, moralinfrei, aber klar positioniert. Beweist im Umgang mit der Alltäglichkeit des Schreckens und in der Ambivalenz der Figurenzeichnung ein gutes Händchen - alles inmitten eines spektakulär guten Bühnenbilds"
Schwäbisches Tagblatt: "Die Verlorenen"

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